Quergedachtes: Sprache-Sprachökonomie-Sprachlosigkeit

Quergedachtes

zum Internationalen Tag der Muttersprache

Montag, 22. Februar 2010

Autor: Hannes Nagel

Sprache – Sprachökonomie – Sprachlosigkeit

Kürzlich sann ich, weil mich einer frug, darüber nach, was mit der sprachlichen Vielfalt passiert, wenn alles ins Korsett von, zum Beispiel, der Wirtschaftssprache, des Juristendeutschs oder der Redeweise von der Polizei gezwängt wird. Die Redeweise der Polizei kennen sie bestimmt aus dem Boulevardfernsehen, wenn da einer von der Polizei erklärt, was bei einem Unfall, einem Stau oder im Kopfe eines Verhafteten vorgegangen ist, der von Nachbarn denunziert wurde. Ich kuck mir den Scheiss auch nur an, weil ich beruflich muss. Oder Sie lesen mal die so genannten Polizeiberichte in Lokalzeitungen. Kein Mensch erkennt den Sachverhalt wieder, wenn der so dargestellt wird wie im Polizeideutch, Juristendeutsch oder mit den Metaphern der Wirtschaftskrieger. Stellen Sie sich mal vor Sie wollen von Liebe reden oder Romantik, und haben nur die Ausdrucksmöglichkeiten von Paragraphenjüngern, Exekutivfacharbeitern Reichtumsmaximierern.

Sprache ist ein sehr abwechslungsreich gefüllter Kleiderschrank, aus dessen Fundus Sprecher die Bekleidung wählen, in die sie das zu Sagende, also ihre Meinung, kleiden. Wenn die Meinungen nun zwecks Erzielung von Übereinstimmung in deutscheFelduniformen, chinesische Wattejacken und russische Filzstiefel gesteckt werden, bleibt die Vielfalt des Sagbaren auf der Strecke. Die Liebe zum Beispiel will aber lieber ein luftiges Sommerkleidchen tragen und die Satire keinen Anzug von der Stange, sondern sich zum Beispiel schlipsfrei individuell in ihrem Sprachgewande kombinieren.

Der Trend zur Verengung der Sprache ist Ausdruck des alles umfassenden Trends zur Ökonomisierung. Sie gehen gerne zu Fuss, um den Weg zu gniessen? Völlig unverständlich. Fahren Sie doch mit Auto, sind sie schneller da. Das Sie das gerade nicht wollen – interessiert doch keinen. Wo die Sprache ökonomisiert ist, verringert sich die Meinungsvielfalt und das Denken sowie die Kunst. Dabei ist der Wortschatz unbegrenzt und verschwenderisch einsetzbarer. Leider wird er von wenigen Meinungsmachern und Meinungsführern reglementiert.

Darauf wollte ich mal hinweisen, weil am Sonntag, 21.Februar, seitens UNESCO der Internationale Tag der Muttersprache begangen wurde. Es ist im Kleinen wie im Großen. Im Kleinen gehen. Die Ausdrucksmöglichkeiten und der Wortschatz zurück; im Großen stirbt alle 14 Tage eine Sprache vollständig aus, findet die UNESCO. Das kommt von Krieg, Migration und Sprachvermischung. Während bei Migration und Sprachvermischung neue bereichernde Ausdrücke entstehen, waißt, Aldä, verschlagen Kriege den Menschen die Sprache oder töten die Sprecher.

Also muss man den Mund aufmachen, solange noch Zeit dafür ist, wenn Sprache, Kultur und Menschlichkeit nicht auf eine geistlose Minimalkommunikation reduziert werden sollen.

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