Zeitgeist: Die Drohung ist verklausuliert

Sonntag, 28. März. 2010


Autor: Hannes Nagel

Die Drohung ist verklausuliert

Umweltminister Norbert Röttgen von der CDU und der GenSek der Liberalen, Christian Lindner, schickten der Süddeutschen Zeitung einen gemeinsamen Beitrag, den diese auch veröffentlichte. Und das war vor zwei Tagen, als das so war. Der Beitrag vom 26. März hieß „Eine neue Ordnung mit bewährten Prinzipien“. Die Zeitung moderierte den Text an als „Plädoyer für eine moderne Ausrichtung der sozialen Marktwirtschaft“. Angesichts der kämpferischen (insbesondere wahlkämpferischen Forderungen) bleibt der Text unbehaglich allgemein. Sie werden bestimmt mein Unbehagen verstehen, wenn ich das Verklausierte anhand meines „Wörterbuches historischer Parallelen“ ins Konkrete übersetze. Was ist zum Beispiel eine moderne Ausrichtung der sozialen Marktwirtschaft? Eine Anpassung an das Notwendige: Linderung der Armut, Umweltschutz, gemäßigte Lebenshaltungskosten und so weiter oder eine dem Geist der Zeit angepasste Marktwirtschaft? Dann allerdings kündigen die beiden Herren westerwellistische Arbeitslager mit „Leistung muss sich lohnen“ als ein dringend anstehendes Projekt an. Kann das sein?

Zitat: „Wachstum setzt Freiheit voraus, weil nur die marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung Initiative belohnt und das in der Gesellschaft dezentral vorhandene Wissen mobilisiert“. Nur die MWWBO (Marktwirtschaftliche Wettbewerbordnung) ? Und alle anderen? Meinungsvielfalt ist, wenn jeder ungestraft Thesen der Formaldemokratischen Partei Deutschlands vertreten darf. Und was ist „dezentral vorhandenes Wissen“, welches „mobilisiert“ werden soll? Mobilisierung klingt nach Mobilmachung. Dezentral vorhandenes Wissen: Wer wenig weiß, wird für die Interessen der Reichen mobil gemacht – warum nennen die Autoren nicht den Marschbefehl?

Zitat: „Der Preis politischer Untätigkeit wären in Detuschland bislang unbekannte soziale Unsicherheit und Ungleichheit“. Meine Herren, glauben Sie mir: Die soziale Unsicherheit ist bereits sattsam bekannt, siehe Hartz Vier. Und die Ungleichheit – ach Gottchen, aber gelle, Ihr wolltet wohl nur provozieren, wie Euer Bundereiseguido, was?

Zitat: „Die soziale Marktwirtschaft in die neue Zeit zu setzen heißt, ihre gesellschaftliche Friedensidee als ihre eigentliche kulturelle Errungenschaft wieder in den Mittelpunkt zu stellen“. Die neue Zeit zieht mit uns dem Morgenrot entgegen, und über uns breitet Spaniens Himmel seine Sterne aus, so etwa? Erst den Kommunismus verteufeln, und dann an seinem Liedgut Anleihen nehmen, was? Was kommt jetzt, wenn Ihr Freiheit und Frieden auffahrt?

Zitat: „Und mit neuen Finanzinstrumenten sichern sich auf den Weltmärkten agierende Unternehmen gegen Währungs-und Rohstoffrisiken ab“. Ment Ihr Krieg als Finanzinstrument? „Die Finanzmarktkrise hat die Ordnungsbedürftigkeit des Finanzmarktes aufgezeigt“. Also den nächsten Krieg? Afghanistan reicht wohl nicht mehr?

Da passt dann auch der Bezug zum Kaiser, Verzeihung, zum Präsidenten.

Zitat: „Der Bundespräsident hat recht: Die Nation, die sich am schnellsten und am intelligentesten auf die ökologischen Herausforderungen einstellt, wird Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen“. Wer darf dann den Platz an der Sonne einnehmen? Die Nation? Hat die auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung? Oder handelt es sich um nationale Arbeitsplätze und nationalen Wohlstand? Was ist dann mit den anderen?

Aber Ihr wollt ja die schnellste und intelligenteste Nation werden. Darum wollt Ihr ja ein „nationales Stipendienprogramm“. Für die Besten. Nationale Stipendien für nationale Eliten.

Wisst Ihr was: Wenn man Euer Programm so ansieht, habt Ihr noch einen weiten Weg vor Euch. Das ist fast schon wieder tröstlich.

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