Glosse: Apropos Krakehl aus Berlin

Apropos Krakehl aus Berlin

„”Wer jung ist, wer gesund ist, wer keine eigenen Angehörigen zu versorgen hat, dem ist es zumutbar, dass er für das, was er vom Staat bekommt, auch eine Gegenleistung erbringt. Umgekehrt muss man vom Staat erwarten, dass ein Angebot gemacht wird. Aber wir erwarten dann auch, dass dieses Angebot angenommen wird.” (Soll ich den Namen wirklich nennen?)

Sonntag, 18. April 2010

Hannes Nagel

Reisende berichten gerne, wenn sie zurück kehren. Es sagt ja auch ein Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“. Wenn er gut und spannend und geistvoll erzählen kann, hören die Daheimgebliebenen dem Zurückgekehrten auch gerne und mit atemloser Spannung zu. Aber wenn er das nicht kann, hört keiner hin. Das ist ärgerlich für den Rückkehrer. Es ist besonders ärgerlich, wenn der Rückkehrer einen Wortschatz von einem halben Meter Länge hat bei Redebedarf von fünf Metern. Viele fangen in solcher Lage an zu schreien und zu pöbeln.

Übrigens können gar nicht alle Menschen verreisen. Vielen ist das Reisen mangels Einkommen verwehrt. Trotzdem hätten auch sie mal was zu erzählen, wenn man sie nur ließe. Aber versuchen Sie mal, einem Reiserückkkehrer etwas zu erzählen, wenn der gerade auf dem Trip ist, wo er den Schreihals raus lässt. Warum soll man auch zuhören, wenn der schrille Keifer den Begriff „verpflichtende Arbeitsangebote“ als Neuigkeit verkaufen will und die Hartz-Vier-Opfer den Begriff bereits aus dem sattsam bekannten Instrument der bundesagentürlichen „Wiedereingliederungsvereinbarung“ kennen. Darin verpflichtet sich die Agentur zu einer Arbeitsmassnahme, wenn trotz aller Bemühungen kein Job zustande kommt, also im Regelfall. Das Ding ist als Ein-Euro-Job berühmt-berüchtigt. Assoziation: Menschen mit Ketten an den Füßen sammeln Papier im Stadtpark. Noch eine Assoziation: Alfred Döblins Roman „Berlin-Alexanderplatz. Da werden, weil die Sozialpolitik so human ist, entlassende Sträflinge als sogenannte Fürsorgezöglinge wiedereingegliedert. Der Roman handelt, soweit ich mich erinnere, 1928. Fünf Jahre später gab es Konzentrationslager und Arbeitslager, es gab Arbeitspflicht und Arbeitsangebote und es gab dann ab 1935 den Reichsarbeitsdienst. Buch und Realität lagen zeitlich gar nicht so weit auseinander. Und weil wir das alles schon einmal gehabt haben, sollte der Schreihals mal auf Reisen gehen, möglichst weit und möglichst lange weg. Bei den anderen Nachahmungstätern besteht vielleicht noch Hoffnung auf Resozialisierung.

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