Rezension: Paradies perdu

Rezension: Paradies perdu. Vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses

Freitag, 16. April 2010

Kollektives Schwarzfahren

Autor: Hannes Nagel

Seit geraumer Zeit schwinden die Hemmungen, welche bisher verhinderten, dass Wirtschaft, Politik und Recht mit dem obersten Attribut „kriminell“ assoziiert wurden. Die vor die Münder gehaltenen Blätter fallen, als wäre es Herbst, und es raunt und wispert, dass „die da oben“ alles Verbrecher sind. Staaten wurden früher als Strukturen gedacht, die eine Gesellschaft braucht, um ihr Zusammenleben zu organisieren. Heute gelten Staaten nicht mehr Gestalter von Politik zur Wahrung des gesellschaftlichen Wohls. Heute ist ein Staat ein Milieu, in welchem Kriminelle von der Bande „Politik“ mit den Kriminellen der Bande „Wirtschaft“ Geschäfte machen. Wenn es der jeweilige Vorteil verlangt, lässt man gerne mal Angehörige der jeweiligen anderen Bande über die Klinge springen. Fassungslos reibt sich das Volk die Augen, wenn es von den bösen Taten der Recht setzenden und Recht sprechenden Gauner liest, zum neuesten Beispiel in dem Buch „Paradies Perdu. Vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses“ von Lukas Hässig.

Die detaillierte Beschreibung der Gaunereien bei Banken, Bürgern und Behörden setzt mehr Wissen über Steuern und Geldanlagen voraus, als ein Inhaber eines Sparbuches haben kann, und auch mit nur einer dünnen Ahnung davon, dass Fiskus, Bank, Bürger und Betrug so eng zusammen gehören wie Wohnungstür und Namensschild möchte man manchmal alles alles „kollektives Schwarzfahren“ bezeichnen. Denn Fiskus, Strafbehörden und Gesetzgeber haben ja gerade die Lücken eingerichtet, die Steuerflüchtlinge und Anlageberater ausnutzen.

Inzwischen haben weltweit Banken ihre Kunden über die Klinge springen lassen, weil die Geldnot der Staaten so groß wurde, das der eine Gauner dem anderen nichts mehr durchgehen lassen konnte. Jetzt werden schon wieder viele Banken frech, indem sie sich an die Regierungen wenden und wie ein Hochstapler im Nobelrestaurant rufen: „Herr Ober, bringen Sie mal etwas Geld, ich möchte zahlen“. Noch etwas ergibt sich aus dem Buch: Es kommen immer nur die Dinge heraus, die herauskommen sollen. Wann immer also etwas „aufgedeckt“ wird, lohnt sich ein Blick darauf, wer da freigelegt wird. Und wem die Nacktheit nützt. In Hässigs Buch ist es ein betrogener Betrüger, der sich rächen will und daher den Behörden Tipps gibt. Moralisch ist auch der betrogene Betrüger nicht das ganz sauber. Der Eindruck, das im Bereich von Banken, Steuern, Tricksen, Reichtum oder wenigstens Vermögen irgendwie alle Dreck am Stecken haben, zieht sich durch das ganze Buch. Früher brachte man sein Geld zur Sparkasse und dachte, man habe dann Ersparnisse, wenn mal was ist. Wenn aber Banken gaunern, machen sie Sparer zum Mittäter. Warum Banken gaunern, erklärt das Buch nicht. Ist aber auch nicht nötig. Hat vor Jahrenden schon Bertolt Brecht gemacht.

Lukas Hässig, „Paradies Perdu. Vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses“, Hofmann und Campe ( www.hoca.de ) , Hamburg 2010, 22,00

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