Arbeitswelten: Fit für den Job, Spaß bei der Verarschung

Quergedachtes

Sonntag, 15. August 2010

Fit für den Job, Spass bei der Verarschung

Autor: Hannes Nagel

Fit für den Job, Spaß bei der Verarschung

Schreib doch eine Beschwerde“, sagte Sandor Sanddorn, „denn die haben Dich doch völlig verarscht“. „Besser als eine Beschwerde wirkt eine publizistische Würdigung“, sagte ich. Nachdem wir beide dann eine Weile verständnisvoll unsere weisen Häupter gewiegt hatten, sagte ich: „Aber helfen tut das auch nicht. Helfen könnte bestenfalls eine Revolution“.

Revolutionen fangen an, wenn Franzosen kein Brot zu Essen haben und ihre Königin sagt bloß: „Puh, sollen sie doch Kuchen essen, wenn sie kein Brot haben“. Oder wenn Matrosen auf Kriegssiffen meutern, weil in dem Zwieback, den sie zu essen kriegen, Maden so dick und wohlgenährt wie ihre Offiziere herum krabbeln. Kürzlich sagte jemand, dass die Wirtschaftskrise eigentlich keine Krise ist, sondern sondern eine Umwälzung, also eine Revolution.

Eine V erarschung alleine ist also kein hinreichender Grund für eine Revolution. Jedenfalls nicht, wenn man sie mit Maden im Zwieback und Hunger im Gedärm vergleicht. Einen Tritt in den Arsch haben die Damen und Herren von der behördlichen Verscheißerung allemal verdient.

Die Verarschung begann, als man mir nach den Maßstäben der Gesetze und dem Maßstab der Menschlichkeit zugestand, durch eine geförderte Maßnahme mit einem am Bürgergeld orientierten Quasigehalt in die Arbeitswelt zurück integriert zu werden. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt heißt das und soll dazu beitragen, die durch Arbeitslosigkeit, Einkommenslosigkeit und Hartz Vier verursachten gesundheitlichen Folgen zu überwinden und eine bezahlte Arbeit zu erhalten, die den unterdrückten Fähigkeiten entspricht. Unbezahlt gearbeitet habe ich lange genug.

Zwei Jahre lang verzögerten die Ämter eine Entscheidung. Dann kam das Arbeits-und Therapiezentrum Saarbrücken. Es testete sechs Wochen lang soziale, geistige und körperliche Fähigkeiten durch und befand, es sei zwingend erforderlich, mich sofort mit Gehalt, beruflicher Umschulung und Arbeitsplatz auszustatten. Es fehlte nur noch die Zustimmung der Rentenversicherung. In der Rentenversicherungsanstalt funktionierte die Klimaanlage nicht, die Chefs piesakten die Sachbearbeiter, die Luft war stickig, der Schweiß rann in Strömen, und die Aktenberge waren so hoch, so hoch. Und die Sachbearbeiterin stand kurz vor Eisprung und Urlaub. Ihr rechter Arm nahm Kampfhaltung ein und schrieb NEIN auf den Antrag.

Zwei Jahre Hinhaltetaktik mit Verarschung. Ein Glück, dass ich so ungeduldig bin und inzwischen schon mit der Freilegung eines übrigbleibenden Weges begonnen hatte. So können sie wenigstens die publizistische Laudatio ihres grandiosen Versagens entgegen nehmen.

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