Weimarer Klassik: Eine rein politische Personalie

Einer macht Politik mit Kultur und der andere macht Politik mit den Schachfiguren seiner Partei. Das eine nennt man Kulturpolitik, und Kulturpolitik dient der Bewahrung von Kultur.  Das andere ist eine Mischung aus Parteipolitik und Personalpolitik. In Weimar zeigt sich gerade, was passiert, wenn die Politik die Kultur auf die Hörner nimmt.

Autor: Hannes Nagel

Der fünfte November ist ein verregneter Tag in Weimar. Der Kiesweg um das Schloß herum, in welchem die Klassik Stiftung Weimarer Klassik residiert, ist durch vielerlei Pfützen ziemlich matschy, ein Omen für das, was zur gleichen Zeit in Erfurt passiert. Dort läßt Thüringens Kultusminister Christoph Matschie den Vorstand der Stiftung über die Personalentscheidung betreffs des Stiftungspräsidenten Hellmut Seemann abstimmen. Die Sitzung selbst ist ein ordentlicher Vorgang; ihr Zustandekommen ist für viele ein schmutziger Vorgang, wie der Schmutz an den Schuhen, wenn man von dem Matsch hinterm Schloß etwas abkriegt.
Der Kultusminister ist Stiftungsvorstand und kann daher Sitzungen einberufen, die sich mit der Verlängerung oder Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages des Stiftungspräsidenten befassen soll.
Hellmut Seemann wurde 2001 Präsident der Stiftung Weimarer Klassik, zu der Schlösser, Museen, Parkanlagen, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, das Haus von Goethes Schwiegertochter Ottilie von Goethe, geborene Pogwisch gehören. Die Aufgabe des Präsidenten ist es, das gesamte klassische Erbe im Blick zu haben und es gut zu verwalten, damit er als Erbschaftsverwalter der Erbengemeinschaft: Stadt Weimar, Land Thüringen und Gäste aus der Umgebung sowie aus Wissenschaft, Forschung und Bildung das Erbe erhält, bewahrt und seine Nutzung fördert.
Der Präsident hat für die Erfüllung seiner Aufgaben einen Plan. Einen „Masterplan“. Der Plan hat einen Namen: Kosmos Weimar. In diesem Plan ist bis 2018 aufgelistet, was zur Bewahrung des Klassikererbes noch getan werden soll: Im Dezember soll das Haus von Franz Liszt renoviert werden (von außen), ab Januar 2011 soll der Musiker, der gerne Gast auf Schloß Ettersburg war, ein ganzes Jahr geehrt werden. 2011 wird das Liszt-Jahr. Ab Januar 2012 soll das Stadschloss restauriert werden, 2013 beginnt das Wielandjahr, denn Christoph Martin Wieland war Lehrer der Söhne von Herzogin Anna Amalia. Einer davon war der nachmalige Herzog Carl August, der immer wieder Goethes Arbeitsverhältnisse verlängerte. Für 2015 sieht der Masterplan den Abschluss der Orangerie im Schloss Belvedere vor. Dann wird noch das Wittums-Palais (auch verbunden mit Anna Amalia) zum Kulturthema erkoren und die Neubeschaffnung verbrannter Bücher als die Anna-Amalia-Bibliothek 2004 in furchtbar hohen Flammen loderte. Das Bauhaus-Museum bekommt ein Domzil, welches auch für die 10.000 Exponate im Depot Platz bietet. Wenn es Querelen zwischen Matschie und Seemann gibt, weiß niemand genau, wie diese eigentlich entstanden sind. Nach dem sich Matschie am Freitag durchgesetzt hatte, lautete die Parole, dass ab jetzt wieder alles seinen rechtlichen Gang gehen soll. Im März wird Seemanns Stelle neu ausgeschrieben, er darf sich sogar selbst noch mal bewerben. Somit scheint alles geklärt. Wenn es da nicht noch ein paar Unwägbarkeiten gäbe, die den Lauf des Geschehens beeinflussen. Am 24. Oktober formierte sich eine Inititative „Pro Seemann“, die den Kapitän auf der Brücke halten will.

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