Seidenhemden über Wohlstandsbäuchen

Seidenhemden über Wohlstandsbäuchen

 

Am Anfang stand ein Film der BBC: „Der Marsch“ war sein Name und er endete damit, dass ein europäischer Grenzschützer mit einem UNO-Blauhelm auf dem Kopf auf den Abzug drückte und einen aus Nordafrika kommenden Flüchtling erschoss. Frontex konnten sich die Macher des Films noch nicht vorstellen, so dass sie auf bestehende Strukturen einer auch bewaffneten Durchsetzung von Sicherheitspolitik zurück griffen. Europa selbst hatte andere Sorge als die Flüchtlinge. Es befasste sich mit seiner eigenen begrenzten Globalisierung, mit dem Abbau von Handelshindernissen, Zöllen, Grenzen, Finanzen, also mit allem, was die Wirtschaft so braucht, um sich frei entfalten zu können. Oder ungehemmt entfalten zu können. Kam der jetzige Status Quo der Abschottungspolitik schleichend oder konnte man ihn kommen sehen? Wie sieht er aus der Nähe aus? Wohin geht er, und wie sieht Europa dann aus? Im Vergleich mit der nordafrikanischen Armut sind die europäischen Armen noch keine abgemagerten Skelette, sondern schieben Wohlstandsbäuche vor sich, weil Europa trotz allem noch verschwenderisch mit Rohstoffen, Nahrung und Energie umgeht. Noch kann Europa über diesen Wohlstandsbäuchen Seidenhemden tragen, wo die Nordafrikaner in Lumpen oder nackt herumlaufen. Diese Anmaßung Europas ist durch nichts berechtigt. Aber erklärbar: Dank der Medienfreiheit in Europa kann man die Abschottungspolitik durch die Kontexte mit anderen Ereignissen erklären. Anhand beliebig heraus gegriffener Tageszeitungen lässt sich erkennen: Wenn von Lampedusa die Rede ist, ist auch an anderer Stelle von einer Sitzung der europäischen Innenminister die Rede, wenn eine Kurzmeldung eine Migrationsveranstaltung erwähnt, kommt irgendwo in der Zeitung auch die Wirtschaft zu Wort und die Begriffe Rohstoffkrise, Energiekrise und die angeblich nötige militärische Einsatzbereitschaft der Armeen des europäischen Kapitals.

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