Apropos: Wenn keiner die Satire merkt

Heiner Geißler sollte schlichten, da zankten sich die Streithämmel. Und Heiner Geißler sah sich das Gestreite an und da blökte er die Streithämmel an: „Ja wollt Ihr hier denn den totalen Krieg?“

Die Presse musste erst auf die Lesart aufmerksam gemacht werden, dass Geißler hier einen kleinen Skandal hatte fahren lassen. Dabei war es bloss Satire.  Die Satire basierte auf einem Goebbelles-Ausspruch, ist aber genauso viel und nicht weniger Satire, als wenn einer einen Vorgang als „inneren Reichsparteitag“ bezeichnet. Ist schonm vorgekommen, ist alles bloß Satire, wie der Witz: „Warum ist das DDR-Klopapapier so hart? – Na, damit auch der letzte braune Arsch rot wird.“ Die Satire-Abteilung von Spiegel-Online dichtete Geißler dann noch den Spruch, für das Problem Stuttgart 21 jetzt eine „Endlösung“ zu finden.

Totaler Krieg, innerer Reichsparteitag, Endlösung. Schweres Kaliber, aber feine Satire merkt ja heute keiner mehr, jedenfalls nicht die die gemeint sind. Schmulla Idt zum Beispiel hat nie etwas gemerkt. (Erinnern Sie sich noch: das war die Schnupfnase die sich weiß Gott woher Kompetenz für das Amt der Gesundheitsministerin anmaßte).  Und wenn doch mal einer was merkt, ruft er nach dem Anwalt und lässt juristisch verbieten, was satirisch das Gebot der Stunde ist.
Das ist komisch. Leute, die keinen Spass verstrehen, sollen ein Urteil über Satire fällen dürfen, wenn sich einer von der satirischen Darstellung angepinkelt fühlt. 2008 gabs mal ein Verfahren in Frankfurt, da hatte ein Satiriker in einem satirischen offenen Brief Neonazis mit „Kameraden“ angeredet und die wollten das verbieten lassen. Soll man denn unbedingt Nazi schreiben müssen, weil es keine Beleidigung für einen Nazi sein kann, wenn man einen Nazi einen Nazi nennt? Sprachzwänge sind Nötigung. Ich will auch weiterhin, solange es besteht, Guantanamo als KZ bezeichnen und damit erst dann aufhören, wenn Guantanamo kein KZ mehr ist.
Satire darf alles, meinte Tucholsky, was schon deshalb zu begrüßen ist, dass deutsche Gerichte und Rechtsausleger sagen, Satire darf in Deutschland nicht alles, denn dann dürfe sie auch Schmähkritik, und das darf sie nicht, nicht in Deutschland. Verstanden? Und nehm‘ Se jefälligst Haltung an, wenn ick mit Sie rede.
Alexander Roda Roda hat mal irgendwo sinniert, dass man früher auf eine Beleidigungsklage mit einem satirischen Essay antwortete. Heute aber reagiere man mit einer Beleidigungsklage auf einen satirischen Essay.
Passt mal auf, Freunde der Rechtssprechung: Wenn Ihr die Satiriker aus der Rechtssprechung rauslasst, lassen die Euch in Zukunft aus der Satire raus. Und damit  politische Witze wieder verstanden und erzählt werden, sollten wir langsam mal eine kabarettistische Fachzeitschrift zur Schulung von Geist, Witz und Pointen gründen.
Und wenn es noch eine Satireakademie gibt, möchte ich gerne einen Lehrauftrag für politische Witze haben. Bis zur Rente, jawohl.

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