FEUILLETON-KULTURBETRIEBLICHES: “Literaritäten”

FEUILLETON KULTURBETRIEBLICHES

„Literaritäten“

Bücher haben ein zweites Leben verdient. Die „Süddeutsche Zeitung“ enthielt am 22. Oktober 2014 ein verbreitungswürdiges Interview mit dem Gebrauchtbuchhändler Bernd Detsch.

 In einer Gesellschaft, die Käufer von Waren geringschätzig als Verbraucher bezeichnet, hat auch das Wort Ramsch keinen schönen Klang mehr. Ramsch klang einmal nach stöbern, suchen und finden. Manchmal konnte man einen kleinen literarischen Schatz heben.

In einer Gesellschaft, in der massenhaft literarische Neuerscheinungen dorthin geworfen werden, wo sie keiner würdigt, können Gebrauchtbuchhändler Leser treffen statt Literaturverbraucher und ihnen genau den Titel beschaffen, den die Leser gerne hätten.

In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ beschrieb der Gebrauchtbuchhändler Bernd Detsch, was ein modernes Antiquariat, Amazon, die Buchpreisbindung, die Neuerscheinungsflut und ganz persönliche Literaritäten miteinander zu tun haben. Gute Bücher sind bisweilen rar. Von Amazon fühlen sich derzeit Autoren und Verlage ziemlich bedroht. Amazon mag etwas von Online-Handel verstehen, aber nichts von der Seele eines Buches. Die Heuschrecke Amazon grast oben den Buchmarkt ab. Unten aber wächst nachhaltige Literatur nach. Das ist wie im Journalismus: Oben grast der Mainstream-Journalismus mit seinem Hang zum Meinungsführertum und unten gibt es nachwachsenden nachhaltigen Blog-Journalismus.

Es ist ja nicht alles schlecht, was bei Amazon im Angebot ist, aber eben auch nicht alles gut. Früher bei der Zeitung Internet World nannten wir Amazon redaktionsintern „Ramschladen.“ Vielleicht kommt ja daher auch der Ausdruck „Ramscher“ für Gebrauchtbuchhändler als eine Art ironische Umdrehung von Stöberware und seelenlosem Handel mit allem, was Geld bringt. Ramschladen durften auch die Volontäre sagen. Nur die Tante von der PR-Abteilung, die durften wir niemals als Presse-Amazone bezeichnen. Später hatte zumindest ich auch keinen Bock mehr drauf.

„Modernes Antiquariat“ hört sich eigentlich naheliegend an. Bücher sind ja keine Tageszeitungen, die man nach einer Woche nicht mehr versteht, weil das Vergessen voran schritt oder eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Bücher sind zeitlos. Werden Bücher erst einmal geschreddert, gibt es kaum noch Belege für ihre Existenz. Außerdem gibt es dann bald niemanden mehr, der die Inhalte kennt oder verstanden hätte. „Modernes Antiquariat“ heißt Bewahrung des Bewahrenswerten, des Zeitlosen, Dokumentarischen, des Chronistischen, des Zeitgeistigen – hach, wenn es geschickt gemacht wird, kann ein Modernes Antiquariat so etwas werden wie dem Rufe nach die berühmte ptolemäische Bibliothek von Alexandria.

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