FEUILLETON-BEWEGUNGSMELDER: Organisierte Hilfe und Kriegsschatten

FEUILLETON-BEWEGUNGSMELDER
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Organisierte Hilfe und Kriegsschatten

Ende April bebte die Erde im Himalaya. Die Randausläufer erreichten China und Indien. Nepal liegt dazwischen und bekam die gesamte Wucht ab. Nach Informationen des Bündnisses deutscher Hilfsorganisationen sind 2,8 Millionen Menschen obdachlos geworden. 90 Prozent der Gesundheitseinrichtungen sind hinüber. In Katastrophenfällen hat geholfen zu werden. Es hat Flüchtlingen in und aus Kriegsgebieten geholfen zu werden, und es hat Opfern von Naturkatastrophen geholfen zu werden. Ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Katastrophenursache.

Die Hilfsbereitschaft für Katastrophenopfer ist größer als für Bürgerkriegsopfer. Gegenüber Wirtschaftsflüchtlingen geht die Hilfsbereitschaft gegen Null. Dabei sind Wirtschaftsflüchtlinge Elensopfer und insofern wenigstens den Bürgerkriegsopfern gleich zu stellen. Hilfe wird durch die Wahrnehmbarkeit zum öffentlichen Thema. Hilfe ist fast nie ein spontaner Herzensimpuls, sondern Ergebnis eines Appels. Weil Hilfe nicht spontan kommt, muss sie organisiert auftreten. Dafür gibt es Hilfsorganisationen. In sie können Einzelne ihre Hilfsbereitschaft eingliedern. Die Einzelnen sehen Hilfe im Wechselspiel von Appel, Spende und Bericht über Auslandseinsätze der Hilfsorganisationen. Für die AWO International stellte Vasilios Saroglue die Tätigkeiten der aus der Arbeiterwohlfahrt 1996 hervorgegangen Hilfsorganisation vor. Am Beispiel der Erdebenhilfe für Nepal sagte der Entwicklungshelfer, dass 22 LKW-Ladungen mit Hilfsbündeln für etwa 30.000 Menschen reichen. So ein Bündel ist schätzungsweise einen Meter lang, 30 Zentimeter hoch und einen halben Meter breit. Darin befindet sich eine Zeltplane, diverse Kochgeschirre, ein Sack mit Reis oder ähnlichen haltbaren Lebensmitteln sowie Seife und andere Hygieneartikel. Zusätzlich bringen die LKW auch Matratzen und Decken in die Katastrophengebiete. Die Verteilung vor Ort nimmt die Organisation in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden vor. Zusammenarbeit heißt unter anderem auch Bedarfsprüfung und Prüfung von Bedarfsgemeinschaften. Damit die Vielzahl von Hilfsorganisationen nicht in Kompetenzgerangel verfallen und kleinliche Streits, wem der große Ruhm gebührt, sollen sie dem Regelwerk nach regelmäßig Informationen und Bedarfsanalysen in Hilfsfällen austauschen. Die UNO unterhält zu diesem Zweck Koordinationsstellen. Die Arbeit der UN-Koordinationsstellen könnte in den nächsten Jahren die Grenzen der Leistungfähigkeit überschreiten. Jeder Bürgerkrieg und alle bewaffnete internationale Konflikte vertreiben Menschen aus ihren Siedlungsgebieten. Sie sind dann Flüchtlinge, und das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) bestätigt alle von nachgeordneten Hilfsorganisationen beobachteten Trends: Die Zahl der Migranten wird global größer, und alle regionalen Krisengebiete haben den gleichen Trend. Bisher hat der Krieg in Syrien den Zählungen zufolge 5 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Die Fluchtroute führt dabei meist über das Mittelmeer. Mit überladenen Booten, die kein Sicherheitsinspektor als seetauglich für Windstärken über 7 und Wellenhöhen bei durchschnittlich 5 Metern einstufen würde, versuchen die Menschen, aus dem Schatten der Kriege und dem Schatten der europäischen Abwehr in das Licht einer soldiarischen Gesellschaft zu gelangen. Aber diese Solidarität ist keine gesellschaftliche Geistesgrundlage. Solidarität ist verteilt wie Inseln in der Südsee: Hier und da ein blühendes Atoll, und dazwischen weit und breit kein Land in Sicht.
PS: Im „Stern“ stand unter Ratgeber Kreuzfahrten am 18. Juni: „Die Allure of the Seas“ ist das größte Passagierschiff der Welt und schippert diesen Sommer erstmals durchs Mittelmeer“. 6000 Passagiere finden Platz.

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