FEUILLETON-REZENSION: Plädoyer eines Märtyrers

FEUILLETON-REZENSION

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„Plädoyer eines Märtyrers“

Die Chuzpe eines Austrofaschisten

Herr Peter Veran gönnt Herrn Engelbert Dollfuss in seiner Groteske „Plädoyer eines Märtyrers“ keine Geschichtsberater als Rechtsbeistand. Die historische Selbtverteidung nimmt der Angeklagte daher selber vor – wie damals Georgi Dimitroff im Reichstagsrandprozess. Der hat kausal zwar nichts mit der Geschichte von Paul Veran zu tun, wirkt aber wie eine Analogie, in der literarische Themen kein einsames Alleinstellungsdasein fristen. Immerhin beweist der historische Rückblick des Verblichenen von der Metaebene des Jenseits auf die Gegenwart mit der Hand am Puls der Zeit darauf hin, dass ein Geschichtsbeteiligter durchaus auch ein guter Berater in eigener Sache sein kann. Die zu verhandelnde Sache ist das Wirken des österreichischen Kanzlers Engelbert Dollfuss im Zeitfenster 1933 bis 1934, als es mit Macht und dem Ergebnis Tod für Engelbert Dollfuss geschlossen wurde. Herr Engelbert Dollfuss bemüht sich in seinem Plädoyer um die Einführung des Begriffs „entschuldbarer Notstand“ und zieht das vermeintliche Wissen der „hinterher Klügeren“ als Beleg hinzu. Das ist die Chuzpe eines Austrofaschisten. Man erkennt sie daran, dass die Verteidung zur Selbstenttlarvung führt – man muss sie bloss reden lassen. Die Faschistenführer Meuthen, Gauland und Höcke entlarven sich ja auch in der Gegenwart, wenn man ihnen die Gelegenhei. Wer aber war Engelbert Dollfuss? Die Vita kurz zusammengefasst: Ein Freund von Arthur Seyß-Inquart, der in Nürnberg beim Kriegsverbrecherprozess zum „Tod durch den Strang“ verurteilt und gerichtet wurde. Geboren am 4.Oktober 1892. Juli 1934 bei einem Putsch von österreichischen Faschisten untereinander erschossen. Als Kanzler, der sein Amt diktatorisch führte. Herrn Dollfussens Plädoyer aus dem Jenseits enthält im Anhang alle Hinweise, die man zur Einschätzung der Personen braucht, die im gleichen Zeitfenster der Geschichtsbetrachtung den Abstand zwischen den Rändern der Laibung den Weg kreuzen.

Der Autor des Buches heißt gar nicht wirklich Herr Peter Veran. Er heißt nach einer Information des Klappentextes Herr Werner Anzengruber und ist Jurist und Historiker. Seine Sprache weiß ein spitzes Florett zu fechten, Hut ab. Meint man gar nicht, wenn einer sonst nur als einer der profiliertesten Forscher der österreichischen Form des Nationalsozialismus in Österreich und des Widerstands dagegen gilt. Dieses Buch sollte in den Kreisen der ausgeirdeten Seelen gelesen werden und in den Salons, wo die sowwohl im guten wie im schlechten unsterblichen Seelen die Ewigkeit verbringen (Kann man die Ewigkeit eigentlich verbringen? Bedeutet Zeit verbringen nicht auch eine Endlichkeit dieser Zeit? Was hat eine endliche Zeit mit der Ewigkeit gemein?) Wenn aber dort in den Salons Kurt Tucholsky mit Erich Kästner über das Buch plaudert und beide grinsen sich einen, bis Kästner laut lacht, so dass George Bernhard Shaw stirnrunzelnd rüberkommt, dann ist es auch hier unten das richtige Buch zur Zeit.

Peter Veran alias Werner Anzenberger, Plädoyer eines Martyrers“, Promedia-Verlag, Wien 2020

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