FEUILLETON-REZENSION: Mut zum Gaiazän

Buchtitel: Mut zum Gaiazän
Autor: Peter Finke
Verlag: Oekom-Verlag
Name des Rezensenten: Hannes Nagel

Fehler sind Irrtümer, die man korrigieren kann und nicht Endgültiges.

Deswegen hält Peter Finke in seinem Buch das Anthropozän für für eine Fehlentwicklung, aus deren Erkenntnis nun die Korrektur entstehen kann.

Das Wort „Gaiazän“ ist eine Rückbesinnung auf Mutter Erde und ihr Zeitalter. Nicht die mit ihrer Aufgabe als selbsternannte Krone der Schöpfung überforderte Menschheit soll den erdgeschichtlichen Zeitabschnitt dominieren, sondern versuchen, Mutter Erde zu stützen, ihr zu gefallen, sie um Rat fragen und ihren Geschichten zu lauschen, die von Sprache, Kultur, Kreativität und Ethik handeln und nicht nur einer Aufklärung, die in den Zustand des Dogmas gelangt ist. Dabei könnte laut Finkes Buch die Aufklärung, wenn sie sich selbst auch immer wieder in Frage stellen würde, die Wissenschaft anstelle des Dogmas als lateinamerikanischen Tanz betrachten. Macht sowieso mehr Spass, weil die Erkenntnis der Fremdheit immer eine kulturelle Geisteserweiterung ist.

Peter Finke hat eine völlig unaufgeregte Manöverkritik hat Wissenschaftsentwicklung und Aufklärung verfasst, die auch „Gesichtswahrend“ für die Kritisierten ist. Niemand wird beschimpft oder beschuldigt. Das ist vielleicht auch eine hintergründige Art der Auslegung des Spruches „Der Ruhm ist nicht, die Tat ist alles“. Zumal wenn der Ruhm ein wenig unrühmlich ist – was sollen dann Namen? Wer Namen beschimpft, beschimpft Menschen und ihre Irrtümer als willentliches Fehlverhalten.

In idealisierter Betrachtung ist Peter Finkes Buch das Buch eines „Geschichtsberaters“. Im Falle des Anthropozäns geht geht es um einen langwirkenden Nebeneffekt der Aufklärung als Gewissheit des Allwissens statt um die Anerkennung von Irrtumsmöglichkeiten. Und wenn man sich einmal festgelegt hat, fällt es schwer, von dieser Position wieder herunter zu kommen. Viele fühlen sich dann „untenrum entblößt“. Und das will ja keiner.

Besonders schön dürfte für Freunde der Meinungsvielfalt eine Bemerkung auf Seite 45 sein, wonach der alte Wissenschaftsgrundatz „Tertium non Datur“ – „Ein Drittes gibt es nicht“ viel zu viele Möglichkeiten ausschließt. Es kann nämlich auch Zwischenwerte geben. Und die können genauso tatsächlich existent sein wie das dogmatische 1 oder 0 in der Computerlogik.1

Im Grunde ist Peter Finkes Buch ein Wegweiser für eine Umkehr suf einen Weg, auf dem der wissenschaftlich-technische Ruhm nichts bedeutet, aber die nützliche Tat alles ist, was stets neu sich hinterfragendes und korrigierendes Wissen schaffen kann, ohne das Alte zu Vergessen, das zu dem Neuen geführt hat. Das gipfelt in den Worten:

„Zukunftsfähig werden wir nur dann, wenn wir Wissen und Handeln, Ethik und Wissenschaftstheorie, gar nicht erst trennen, sondern als einen Verantwortungszusammenhang begreifen. Ein solches Wissensverständnis ist nicht mehr das des Anthropozän, sondern das eines Gaiazäns. Das sollten wir anstreben.“

Peter Finke, Mut zum Gaiazän, oekom-Verlag, München, Freiburg 2022


1 Was – ich gestehe es leicht süffisant – die Sache mit der Künstlichen Intelligenz als Gestümper darstellt. Eine computergesteuerte Maschine kann zwar präzisere Feinmechanik herstellen und eine Drohnengesteuerte Waffe kann ohne Gewissensbelastung morden, aber eins kann Künstliche Intelligenz nie: Die Seele ersetzen . Und damit keine Kultur und keine Herzensbildung ermöglichen.

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