Rezension: Aufstand der Unterschicht
Mittwoch, 03. März 2010
Schachfiguren contra Schachspieler
Autor: Hannes Nagel
Schachfiguren contra Schachspieler
Trends sind wie viele Kräfte, die auf einen Körper wirken. Am Ende reagiert der Körper auf die so genannte resultierende Kraft, die das Ergebnis in Richtung und Größe aller Einzelkräfte und deren jeweilige Richtungen und Größen ist. Der resultierende Trend aller derzeitigen sozialen, ökonomischen und rechtlichen Trends, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, ahnt man dunkel. Die Hartz-Vier-Gesellschaft ist ein Simulationsmodell der zu erwartenden Kraftwirkungen.
Die meisten Trends sind unbehaglich, und unbehaglich ist auch das Buch „Der Aufstand der Unterschicht“ von Inge Kloepfer. Düstere Szenarien lassen ahnen, dass eine weitere Verschärfung von H4 keine rhetorische Kraftmeierei eines einzelnen jungen Mannes aus Berlin ist, dessen Beruf es zu sein scheint, kraftmeiernd auf sich aufmerksam zu machen, weil man ihn sonst übersehen würde, was vielleicht nicht das Schlechteste wäre. H4 kann und wird schlimmer werden, schlimmer und totaler, als man es sich bis jetzt überhaupt vorstellen kann. Falls es nicht zu einem Stopp der zerstörerischen Trends kommt. „Aufstand der Unterschicht“, steht auf der Titelseite von Inge Kloepfers Buch, aber es wird keine Revolution, Rebellion oder Reformation geplant oder konzipiert. Es wird auch nicht zu den Waffen gerufen, weil das Vaterland, das teure, in Gefahr ist, nämlich in Gefahr von Innen.
Während die sehr präzise Analyse der Trends: – Demographie, Bildung, Leistungsdenken, Kriminalität, Entwicklungsbedingungen von Persönlichkeiten – etwa 273 Seiten umfasst, kommen die Ideenanregungen mit vergleichsweise dünnen 20 Seiten aus. Das könnte ein Missverhältnis sein. Die schiefe Bahn der gesellschaftlichen Entwicklung wird durch die schiefe Bahn des Verhältnisses von Problem und Lösungsvorschlag abgebildet. Die Abbildung entspricht dem Vorbild. Das zeigt, dass sie Beobachtungen richtig sind. Wo aber, wie aber und wann denn findet der Aufstand statt, der die Machenschaften der Sozialstaatstäter ins leere laufen lässt? Abtropfen lässt von der schon zu Lebzeiten gegerbten Haut der Sozialstaatsopfer? Schmerz vergeht, Arsch besteht, sagt ein Sprichwort. Es sagt, auf die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland angewendet, dass „die da oben“ noch so lange auf „uns hier unten“ prügeln können, am Ende triumphieren die Schachfiguren über die Schachspieler. Und wenn die Schachspieler begreifen, dass die kleinen Schritte der Bauern auch mal den Schachspieler in den Hintern treten können, dann hat das Buch „Aufstand der Unterschichten“ sein Ziel erreicht. Ich wünsche es ihm.
nge Kloepfer, „Aufstand der Unterschicht. Was auf uns zukommt“, Hofmann und Campe, ( www.hoca.de ) Hamburg 2008, ISBN: 978-3-455-50052-3