Rezension: Die klagenden Geldbörsen des Mittelstandes

Rezension: Hurra, wir dürfen zahlen

Montag, 07.Juni 2010

Die klagenden Geldbörsen des Mittelstands

Autor: Hannes Nagel

Hätte die Mittelschicht ein Schichtenbewusstsein wie früher die klassenbewussten Arbeiter, dann würde sie nicht ständig der FDP in die Hände spielen und ihre eigenen legitimen Interessen verraten. FDP und Co sagen sich nämlich, aber nicht ihrem Stimmvieh: „Wer die Interessen einer Minderheit durchsetzen will, muss die Emotionen der Mehrheit berühren“. Dann passiert planmässig das, was in einer Geschichte Bertolt Brechts ein Herr K. Erzählt: Wenn die Haifische Menschen wären ….. dann würden sich die kleinen Fische jubelnd mit Tschingtrara und Fahnen den Haien selbst zum Fraß anbieten. Sie hätten gar kein anderes Lebensziel mehr.

Aber das war Brecht, das war, als es noch Klassenbewusstsein gab. („Nichts hab ich jemals gemeinsam mit der Sache des Klassenfeinds“)

Der Vorspann war jetzt nötig, weil im Westend-Verlag Frankfurt am Main das Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“ erschien und weil just zum Zeitpunkt des Schreibens Merkel, Westerwelle, Rösler, Schäuble und Komplizen überlegen, wo sie nun doch noch was einsparen können und wie sie es schaffen können, das man mit dem Sparen bei den kleinen Leuten beginnt. Es wird zwar auch ernsthaft erwogen, beim Militär zu sparen, aber ein Kabarettist merkte an, dass das Militär in Deutschland mangels Masse an Wert bald sowieso nichts mehr zu verteidigen hat, weshalb man es auch reduzieren könne.

Das der Betrug zu Lasten der kleinen Leuten funktioniert, liegt an der Werbung und ihren Methoden. Wenn man jemandem einredet, er sein der Größte, eine Führungskraft, ein Leistungsträger, ein Hochkaräter, dann misst er sich auch bald an Leuten, die so reich und mondän sind, dass sie über die restliche gesellschaftliche Entwicklung trägen Blickes gelangweilte Bemerkungen machen. Einseifen und kahl rasieren. Wer richtig reich ist, braucht sich auch darum nicht zu kümmern.

Gegen so etwas hilft eventuell ein Schichtenbewusstsein.

Ulrike Herrmaqnn „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschichts“, Westend-Verlag ( www.westendverlag.de ) , Frankfurt amm Main 2010, 17,00 Euro

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