Sex mit Nazis wird falsch verstanden

Montag, 05. September 2011

Rezension „Coco Chanel. Der schwarze Engel. Ein Leben als Nazi-Agentin“

Hannes Nagel

Sex mit Nazis wird falsch verstanden

 

Ein Herr namens Hal Vaughan hat eine Biographie der Modeschöpferin Coco Chanel geschrieben. Das Buch erschien bei Hoffmann und Campe. Es macht beinahe mehr Lust auf den Biographierenden als auf die Biographierte. Denn der Biograph ist dem Klappentext zufolge Mitglied der Organisation ehemaliger Nachrichtendienst-Offiziere.

 

Daher ist es auch kein Wunder, wenn man den Eindruck bekommt, geheimdienstliche Passagen seien dem Autor besser gelungen als Gesellschaftsklatsch und Damenmode. Stilistisch erinnern die Darstellungen der feinen Gesellschaft an den amerikansichen Autor Francis Scott Fitzgerald. Hinterher ist man froh, nicht reich zu sein, reich zu sein so einfach nun auch wieder nicht ist. Die geheimdienstlichen Passagen erinnern stilistisch eher an Johannes Mario Simmel, speziell an den Kaviar-Roman („Es muss nicht immer Kaviar sein“)

Klatsch und Tratsch und feine Gesellschaft ziehen wohl die Leute von den jeweiligen Abwehren an wie ein Komposthaufen im Garten die jeweiligen Fliegen jeden Gesumms. Deshalb will ich hier endlich einmal eine blöde Frage aussprechen: Warum sind Nachrichtendienst-Offiziere immer bei der Waffengattung Marine angestellt? Wilhelm Canaris schließlich auch, nicha?

 

Zwischen Gesellschaftsdame und Geheimdienstliebchen möchte man sicherlich nur dann einen Platz in der gnadenlos wertenden Geschichte einnehmen, wenn man weiß, was man tut. Der Autor weist auf jeder Seite nach, dass Coco Chanel überhaupt nicht wusste, was sie tat. Dummerweise tat sie es mit hochrangigen Nazis, und es ist offenbar unmoralisch, Sex mit Nazis zu haben. Kuck an. Vielleicht aber ist es auch überhaupt und an sich unmoralisch, Sex mit Uniformträgern zu haben. Denn der Schwanz des Teufels versteckt sich am Liebsten in Uniformhosen, und wehe, wenn er rausgelassen wird.

 

Und an diesem Punkt steckt die Lehre und der Sinn dieser Biographie. Während der Lektüre muss man ganz schön lange danach suchen.

Hal Vaughan, „Coco Chanel. Der schwarze Engel. Ein Leben als Naziagentin“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, knapp 23 Euro

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension, Feuilleton-Zeitgeist veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.