Kabarett: Mehr Kabarett als man kucken kann

Montag 10. Oktober 2011

Autor: Hannes Nagel

 

Mehr Kabarett als man kucken kann

 

Entfernungen und Wartezeiten scheinen oft länger zu sein als sie sie wirklich sind, wenn man sie mal nachmessen kann. Jedenfalls wenn die Füße schmerzen oder man bei Scheißwetter auf den Bus wartet. Wartezeiten und Entfernungen lassen sich zumindest in der Wahrnehmung verkürzen, wenn man sich mit Fragen beschäftigt, die nichts mit Entfernungen und Wartezeiten zu tun haben. Zum Beispiel mit der Frage, wieviel Kabarett es im deutschen Fernsehen gibt.

Einschließlich der Wiederholungen listet der Kabarett-Newsletter www.kabarett-news.de für die Woche von Montag 10.Oktober bis Freitag 14. Oktober 68 Sendungen auf. Hört sich viel an, ist aber auch Stefan Raab dabei. Pointenzähler können kaum festhalten, welch genialer Wortwitz den es verdient habenden Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft in den Hintern tritt. Vieles geht unter. Das politische Kabarett hat vor sich einen Ozean an Themen und kann insofern aus dem vollen Schöpfen. Hinter sich hat es ein nach politischen Witzen, leicht gefährlichem geistigen Nervenkitzel lechzendes Publikum. Dieses Publikum würde sich ja gerne nass machen lassen, aber nicht, wenn es schon von der Politik die gleichen kalten Güsse bekommen hat, die ihm am Abend das politische Kabarett einschenkt. Wenn die Regierung selbst wie eine kabarettistische Parodie einer Regierung auftritt – was soll dann Urban Priol machen? Sich die Haare raufen?

Wann sind eigentlich die besten Zeiten fürs Kabarett? Wenn es verboten wird? Wenn eine Geheimpolizei gegen es vorgeht? Warum, nur weil es dann ernst genommen wird? Eine Ahnung davon gab Michael Lerchenberg, als er beim Nockherberg-Anstich als Bruder Barnabas die legendäre vergleichende Kritik eines dekadenten Politikers mit trittreichigen Zuständen äußerte. Da blieb den Leuten das Lachen im Halse stecken, weil sie unangenehm spürten, dass das alles schon mal da war, vor gar nicht langer Zeit.

 

Entschuldigung, der Bus kommt. Wenn ich wieder mal warten muss, schreib ich Euch was über die Geschichte des politischen Kabaretts der Weimarer Republik. Mit den besten Wortwitzen und Arschtritten.

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