FEUILLETON-REZENSION: “Deglobalisierung”

FEUILLETON-REZENSION

Autor: Peter Mattmann-Allamand
Titel: „Deglobalisierung. Ein ökologisch-demokratischer Ausweg aus der Krise“
Erscheinungsort und Jahr: Promedia-Verlag, Wien 2021
Autor der Rezension: Hannes Nagel

„Es hilft alles nichts: Jetzt müssen die Philosophen ran“

Bücher mit programmatischen Titeln versprechen viel. Wenn gar von einem Ausweg die Rede ist, ist die Aufmerksamkeit hoch. Bei solchen Büchern macht es Spass, Gelesenes und Erwartetes zu vergleichen und diese Vergleiche dann aufzuschreiben.

Globalisierung ist Krise

1997 schrieb Viviane Forrester das Buch „Der Terror der Ökonomie“.1 Des Buches Kernfrage ist: Muss man vor der Globalisierung Angst haben. Inzwischen ist klar: Ja, aber nur, solange man nichts dagegen oder für etwas Anderes tut. Seit der Offensichtlichkeit einer gesteigerten Kriegsgefahr auch in Europa kann man die Globalisierung als ureigenstes Instrument hausgemachter Profitkrisen begreifen, und die Produktivkraft Mensch soll es dann ausbaden.

2021 erschien Peter Mattmann-Allamands Buch „Deglobalisierung. Ein ökologisch-demokratischer Ausweg aus der Krise“. Globalisierung ist also eine Krise, aus der man unter Bewahrung der Umwelt und der Demokratie heraus muss, weil diese Krisen das Potential hat, Umwelt und Demokratie unwiderruflich oder irreversible zu zerstören. Wer es zynischer mag: von der Globalisierung droht eine nachhaltige Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen und der derzeit moderatesteten Gesellschaftsordnungskonzeption, kurz: „Demokratie“ mit vielen Facetten genannt. Ein ökologischer Umgang mit der Natur wäre zum Beispiel gegeben, dass man der Natur zurück gibt, was man ihr entnimmt. Wie man aber verrosteten Stahl wieder als Erz in die Schächte der Gebirge bringen soll, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich liefe es auf eine Ersatzerstattung hinaus: Menschen entnehmen den Bergen Erze und Kohle und geben den Bergen statt dessen fossile Abfälle, die mit Hilfe von viel Zeit und hohem Druck von vornherein zu mehrfachnutzbaren wiederverwendbaren Rohstoffmodulen gepresst werden. Den Menschen bliebe nur die Bearbeitung mit Werkzeugen. Die Luft und die Gewässer würden danken, weil sie kaum noch Schmutz zu bewältigen hätten.2 Die Bedrohung der Demokratie durch diese Krise leitet sich aus den Elementen Banken, Flüchtlinge, Schulden und Corona her. Da erscheint der Ruf nach einer Befähigung der Bundeswehr für den Umgang mit neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen wie ein verzweifelter Ruf nach dem letzten militärischen Aufgebot.

Im Grunde sind die Krisen der Globalisieruung verursacht durch die Globalisierunng. Sie wären mit Vernunft vermeidbar gewesen.

Dann naht endlich die Stunde der Philosophen.

Der Weg in die Sackgasse der Globalisierung begann Mattmann-Allamand zufolge beim Übergang vom Mittelalter zur Moderne. Daher nennt er die Globalisierung auch Schattenseiten des mit der Moderne eingeschlagenen Weges der Entwiclkung menschliucher Zivilisationen. Der Autor weist dem Beginn der Moderne solche Attribute zu, die in verschärfter Ausprägung auch im Neoliberalismus der Gegenwart am eigenen Leib spürbar sind. Mittelalter-Moderne Neuzeit-Globalisierung-Neo -oder auch Neuliberalismus begann mit der systhematischen Emporhebung von „Masslosigkeit, Übertreibung und Realitätsverkennung“.

(Seite 29)

Der Rote Faden und der zerissene Gesamtzusammenhang.

Um also einen Weg aus der Krise zu finden, muss erstmal ein „zerrissener Gesamtzusammenhang“ zwischen Industrialisierung, Konsum, Ausbeutung, Rohstoffverbrauch, Bevölkerungswachstum, Artensterben, Erderwärmung, Grundwasserspiegel, Wasserqualität, Vegetation, Lebensmittelerzeugung und Lebensmittelverbrauch „geflickt“ werden. Es hilft alles nichts: Jetzt müssen die Philosphen ran, um die zerissenen Fäden zu spleissen. Der Autor wirft die alte Frage der Philosophie neu auf:

„Wie hängt alles zusammen? Gibt es ein zusammenhängendes Ganzes oder ist das Ganze lediglich die Summe der Einzeldinge?“                             ( Seite31)

Vor der „Moderne“ , so schreibt der Autor, hätten die Philosophen „die Natur“ und „die Gesellschaft“ als Teil eines Ganzen betrachtet. Sie wären nie auf die Idee gekommen, man könne in der Natur etwas ändern, ohne an den Lebensbedingungen der Gesellschaften etwas zu verändern, oder das Leben der Gesellschaften durch Wohnungsbau, Wasserversorgung, Gas und Strom zu ein Stück weit zu bequemlichen und für einige profitabel zu machen ohne „die Natur“ dadurch zu eeinflussen. Heutzutage? Es scheint, als wären sich die Mitglieder der Gesellschaft, welcher Teil ihres Handelns welche Auswirkung auf die Natur hat. Andererseits: Aktio=Reaktio, Kraft=Gegenkraft, Schritt=Spurenabruck. Die Gegenwart seit dem Siegeszug der Globalisierung zeigt schonungslos offen, wie die Moderne trotz Aufklärung immer mehr „fragmentiert“, also vereinzelteilt, hat. Der Autor zieht als Belegexperten den französischen Philosophen Bruno Latour heran.3 Der Autor gibt Latours Beispiel wie folgt wieder:

„Wenn ich Instant-Kartoffelpürree zubereite, ist mir meistens nicht bewußt, in welchem Ausmaß ich über Referenzketten mit anderen natürlichen, technischen und sozialen Wesen verbunden bin. Ich sehe nur das Fertiggericht, aber nicht, wie es geworden ist. Wer denkt an den Kartoffelacker, an die Kartoffelproduzenten und die Referenzketten, die hinter ihnen stehen? (…) In dem Moment, in dem ich den Brei koche und ihn esse, gehen die Referenzketten, durch die er geworden ist, vergessen und ich genieße lediglich ein Einzelding.“ Seite 33

Wenn ich aber lediglich ein Einzelding konsumiere und keine Zusammenhänge mehr erkenne kann, weil ich sie nicht erkennen soll, dann denkt, wer bei KIK einkauft, nur an billig, aber keiner bei billig an Kinderarbeit und vergiftetes Abwasser aus dem Produktionsprozess. Es ist auch kein Zeichen von Solidarität oder Mitleid mit Kindersklaven, wenn man die so hergestellten Produkt zu Billigpreisen kaufen kann.

Dadurch wird der Stand von Wissenschaft und Technik zur Bruchstück-Natur

Ab Seite 46 erörtert der Autor „Lebensvergessenheit und Ökozid“. Indem die Wurzeln des Lebens in Vergessenheit gerieten, vernichtet sich Krone der Schöpfung die gesamte Schöpfung. Mit dieser Bruchstück-Erkenntnis kann demnach auch gar keine Schöpfungsbewahrende Rettung des Lebens insgesamt geschehen. Und das alles gefährdet die Deomkratie (Seite 82)
Was also hilft? Bildung , Herzlichkeit und Güte.
Peter Mattmann-Allamand, Deglobalisierung, Promedia, 2021


1 Viviane Forrester, „Der Terror der Ökonomie“, Paul Szolnay Verlag, München“, 1997

2 Elon Musk müsste demnach für die Abholzung des Walds in Grünau bei Berlin sämtlich ehemaligen mitlitärischen Truppenübungsplärtt der Russen und der NVA auf dem Gbeiet der DDR zu „Gärten Eden“ umgestalten. Jedenfalls die Umngestaltung bezahlen.

3 Bruno Latour, Jahrgang 1947, gilt als Experte für Wissenschafts-und Techniksoziologie

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