FEUILLETON-ZEITGEIST: Es gibt keinen gerechten Krieg

Ultima Ratio – Das Ende der Vernunft

Früher sagten Diplomaten oft, Kriege seien “Das letzte Mittel der Vernunft”. Die wirklich zutreffende Übersetzung für Ultima Ratio kann nur heißen: “Das Ende der Vernunft”

Den Nachrichten setzt Russland gerade Waffen gegen die Ukraine ein. Das nennt man Krieg. Von allen Kriegen seit Bestehen der Menschheit war keiner gerecht. Es gibt also nach bisheriger Erfahrung keinen gerechten Krieg. Es gibt auch keinen einzigen Krieg, bei dem die Schuldfrage eindeutig geklärt wäre. Sowohl Angreifer als auch Angegriffene sind für die jeweilige Eskalation verantwortlich. Einer provoziert, der andere lässt sich provozieren. Kleine Jungs rattern mit Holzknüppeln am Zaune des Hofhundes herum, bis der außer sich vor Wut und Ärger ist. Mit Vernunft begabt sein sollende Männer rasseln mit den Säbeln und lassen sich von Sicherheitsberaterinnen, Außenministerinnen, und Verteidigungsministerinnen aufhetzen.

Aber der Hofhund ist nicht das bedauernswerte Opfer einer permanenten Aufreizung. Zu einem Konflikt gehören immer beide Seiten. Und die systematische Vorbereitung des Hofhundes auf die Freilassung von seiner Kette spricht für den Wunsch, sich provozieren zu lassen, um sich dahinter verstecken zu können. Natürlich soll der Hofhund nicht übern Zaun springen und auf die Straße laufen. Und haut der Hund seine Zähne in die Hälse der Herrchen mit dem Stöckchen, die Aus, Kusch, Platz sagen wollen – aber der Hund will das nicht, denn er konnte es früher selbst.

Der große Fehler aller Seiten ist, dass keiner wirklich auf den Grundsatz “Audiatur et altera pars” gehört hat. Mit Vernunft ist es möglich, dass jeder mit jedem zu gemeinsamen Vorteilen kommt. Sie hätten regelmäßige Frühstücksbrunches machen sollen. Und der mit der größten Wut auf den andern soll ihm höflich Kaffee nachschenken, die Butter reichen, oder wonach ihn sonst gelüstet, und wenn es die Morgenzeitung ist. Zumindest macht eine solche Konstellation die Stimmung friedlich und kann jeder Seite gewähren, was ihr Begehr ist, ohne eine Seite auszuschließen oder abzuschießen.

Es ist, als betrachte die NATO den “Tumultus Violenti” zwischen Russland und der Ukraine als Neuauflage des Jugoslawischen Bürgerkrieges nach dem Zerfall von Titos Staatenunion. Damals, als es in Jugoslawien anfing, sprach ein finnischer Rundfunksender in seinem lateinischen Programm die Überschrift aus: “Tumultus Violenti in Albaniae”, “Gewaltätige Unruhen in Albanien” auf Deutsch. Und die NATO damals wartete nur darauf, vökerrechtswidrige Luftangriffe auf dem Balkan durchzuführen.

Jetzt ist das vorgesehene Einsatzgebiet der Kriegstätigen viel größer, aber die eigenen Worten nach nie nach Osten erweiterte NATO rattert mit ihren Knüppeln am Gehege des russischen Bären, bis der außer sich vor Wut und Ärger auf die Hinterbeine steigt und vorne mit den Tatzen links und rechts auslangt. Unterstützt werden die mit Vernunft begabt sein sollenden Lenker der westlichen Demokratien von Außenministerinnen, Verteidigungsministerinnen und Sicherheitsberaterinnen, die gut vernetzt sind mit führenden Medienregimentern in Europa und den USA.

Es gibt keinen gerechten Krieg. Denn jeder Krieg ist das Ende der Vernunft. Die Vernunft aber kann unendlich sein. Dann wird ein gerechter Frieden möglich.

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