FEUILLETON-REZENSION
Buchtitel: Die Unbelangbaren.
Autor: Thomas Meyer
Verlag: Suhrkamp
Name des Rezensenten: Hannes Nagel
„Herr, gib uns die Kraft, keine Medienfestanstellung zu bekommen“
Mir fiel beim Lesen mal der Name Tomas Meyer und der Text „Die Unbelangbaren“ auf. Ich hatte sofort den Eindruck, der Text hätte mit dem beklagenswürdigen und korrekturbedüftigen Zustand des Journalismus zu tun. Der Eindruck entstand, weil ich von der Lektüre des Textes Erklärungen zum Trend der „Hofberichtserstattung“ finden werden sowie Hinweise auf eine manipulative Wirkung des Journalismus, die aus der Nähe von Macht und eigentlichem Medienauftrag besteht.
Thomas Meyer bezieht sich in seinem Aufsatz zunächst auf das Buch „Der Zirkus“ von Nils Minkmahr. Der wart ein Jahr lang Gaanz dicht im Wahlkampf an SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dran. Laut Meyer ist Minkmahr Erstes Fazit: Die Medien brachten immer selbstbezüglicher werdende Ergebnisse zustande. Man könnte das auch so sagen: Die Medien legen den Politikern Worte in den Munde, die Politiker nicht gesagt haben, aber die sich Medien wünschen, und wenn ein Politiker DAS dann bestätigt, nehmen sie die Bestätigung einer unterstellten These als Beleg für ihre Wahrhaftigkeit. Das kann man mit schmeichelnden Aussagen so machen, aber auch mit mit „Munition“ zur Entfernung eines Politikers aus einem Amt, in dem man ihn unmöglich dastehen lässt. In beiden Fällen berichten Medien dann gerade NICHT, was der jeweilige Politiker in Bezug auf Gesundheit, Soziales, Arbeitsmarkt, Bildung WIRKLICH gesagt hat oder gesagt hätte, wenn man ihn denn hätte reden lassen. „Audiatur et altera pars “ ist nur ein Teil: Man soll die andere Seite nicht nur ANHÖREN, denn um die andere Seite ANZUHÖREN, muss man sie auch REDEN lassen. Und zwar DAS reden lassen, was die andre Seite sagen will. Widersprüche werden schon von alleine auftreten- mehr als genug, Davon könnten alle Zeitungen satt werden, und die kulinarische Abwechslung müsste nicht leiden.
Journalisten haben das Privileg, zu veröffentlichen, wie es ihnen gefällt – oder, wie man mit kritisch gerunzelter Stirn sagen müsste: Sie dürfen schreiben, was von Herausgeber und Blattgesellschafter abgesegnet ist. Und wenn sie es dann noch schaffen, der eigenen „Blattlinie“ nicht in die Seite zu treten, dann ist eine beschauliche Medienkarriere unausweichlich. Niemand kann einen „belangen“. Man fragt sich nur: Muss man DAZU Journalist sein? Kommt DAS nicht der Erscheinungsform „Hoberichterstattung“ viel näher? Und damit wären wir wieder bei der eingangs gestellten Frage gelandet: Wie ist der der Trend zur Hofberichterstattung erklärbar, wenn er wirklich vorhanden ist?
Wie um alle Hoffnungen fahren zu lassen, resümierte Meyer:
„Die professionelle Zurückhaltung wird schwächer, die Neigung zum Mitmischen im politischen
Machtspiel wächst. Am liebsten wäre heute den meisten von ihnen – man spürt dasauch in den Texten, in denen davon garnicht die Rede ist – eine schwarz-grüne
Koalition, bei der sich zwei besitzbürgerliche Fraktionen auf elegante Art die Arbeit teilen, das Interesse an der sozial-ökonomischen Besitzstandswahrung sichern die Einen, die kulturelle Modernisierung symbolisieren die Anderen. Soziale Themen und linke Perspektiven können da nur noch nerven.“
(Thomas Meyer, „Die Unbelangbaren“, in Neue Gesellschaft-Frankfurter Hefte, Nummer 03/2014)