FEUILLETON-REZENSION: Vom Urzustand zum Gesellschaftsvertrag

FEUILLETON-REZENSION

Buchtitel: Vom Urzustand zum Gesellschaftsvertrag
Autor: Dennis Hindenburg
Verlag:Oekom-Verlag
Name des Rezensenten: Hannes Nagel

„Siehste“, sagte die Moralphilosophie“

Dennis Hindenburg beginnt sein Buch „Vom Urzustand zum Gesellschaftsvertrag“ mit einer umfassenden Beschreibung der sattsam inakzeptablen Reichtumsverteilung der globalen Einkommen und der von der Reichtumsverteilung abhängenden Teilhabe an der Wasserversorgung, am Bildungszugang und an der gesundheitlichen Betreuung. Hindenburg sagt: Die extreme Armut könnte von einem Tag auf den anderen beendet sein, wenn zwei Prozent des globalen Reichtums umverteilt würden. Stattdessen bekommt die Rüstungspolitik zwei Prozent dauerhaft mehr aus dem nationalen Wirtschaftshaushalt. (Wahrscheinlich nennen die mit der Sache vertrauten Kreise der Politik dies „Priorität“). Andererseits würde die Oberreichen, wenn ihnen zwei Prozent aus dem Vermögen fehlen, den Verlust noch nicht einmal bemerken. Es sollte einmal oder mehrfach ausprobiert werden. Wegen solcher einleitender Gedanken nennt Dennis Hindenburg sein Buch auch eine Art „Denkübung“ für eine „neue Theorie zur Verteilungsgerechtigkeit“. Immerhin: Die Existenz neuer Theorien besagt auch, dass jede Theorie auch in Frage gestellt werden kann. Das bedeutet, dass etwas, was so ist, wie es immer schon war, nicht doch auch mal besser werden könnte, so wie man es sich zu jedem Silvester vom Neuen Jahr wünscht, denn einmal muss es ja besser werden, weil es nicht noch schlimmer werden kann. 1 Und das dürfte Armutsrentner, Harz-Vier-Opfer, Ausgestoßene und Benachteiligte besonders freuen.

Nicht jeder Anfang muss im Urschleim liegen

Die Suche nach der Verteilungsgerechtigkeit ähnelt der Frage, wann es Frieden gibt. Für Dennis Hindenburg gab es einen fiktiven Urzustand, in welchem es zwar Menschen gab, aber keine Gesellschaften. Der Urschleim lag also schon eine zeitlang zurück. Und die Menschen lebten anarchisch dahin. Die Entstehung der Gesellschaft geschah nun aber mit mit der Entstehung unterschiedlichen Wissens. Der Kollateralschaden des Wissens bestand darin, dass Menschen aus Versehen zu sich selbst von ihren Mitmenschen zu unterscheiden begannen. Die Entstehung des Besserstellungsdünkels über „die da unten“, die man geringschätzig auch als Verbraucher bezeichnen kann, die „unseren“ Abfall verwerten, „sie wollen es ja“, war geboren. 2 Wissen , überspitzt ausgedrückt, muss demnach in die Gleichheit der Menschen eine „Schere“ hinein praktiziert haben, die zwischen Arm und Reich im Laufe der Zeit immer weiter auseinander gegangen ist. Dann wäre nun also die Frage zu beantworten, wie Bildung den Kollateralschaden der Verteilungsungerechtigkeit durch Schließung der Schere ihrer Verpackung in Etui und Schubfach „repraktizieren“ soll.

Von einem ähnlichen Zusammenhang ist auch oft bei der Überlegung die Rede, wie die ewigen Kriege von Menschengesellschaften gegeneinander beendet werden können. Wenn die Verteilung erst wieder gerecht wird, wenn Gleiche neben Gleichen sprießen, und die gleiche Bildungsfrucht genießen, dann müsse man leider auch sagen, dass es Frieden erst wieder geben kann, wenn es keinerlei Staaten mehr gibt. Wie damals im Urzustand.

Die Beschreibung des Ausgangspunktes von Dennis Hindenburgs Gedankenexperiment klingt somit ein wenig ähnlich wie die bekannte biblische Geschichte von Adam, Eva und dem Apfel. Ganz zu Schweigen von der Schlange.

Vernunft ist nicht immer widerspruchsfrei

Die Erörterung der Prämissen des menschlichen Handelns scheint widersprüchlich. Einerseits sollen die Menschen im Urzustand von den „sieben Schleiern des Unwissens“ umweht sein; andererseits aber „Zugang zu allem bekannten Wissen“ haben. Das kann nicht stimmen. Es hieße, die „Maslowsche Bedürfnispyramide“ würde auch ohne Kenntnis ihrer Existenz auf die Menschen wirken. Den Gedanken müßte man wohl ein wenig im Auge behalten. Denn wenn die Bedürfnispyramide dem Beispiel der Frau von dem Fischer aus dem Märchen vom Fischer und seiner Frau folgt, ist Bescheidenbleiben mit jeder Wunscherfüllung immer weniger möglich. Dawäre etwas im Menschen, was ihn zwingt, immer mehr haben zu wollen, auch oghne sich dieses Prinzips bewusst zu sein. Die Werbung wäre dann nur eine Beschleuniger dieses verderblichen Prozesses des „Immer Mehr wollens“. Mit solch einem Charakter kann aber die Menschheit nicht aufhören, „sich selbst den Sand unter den Füßen wegzuschaufeln“. Oder jemand anderem den Sand wegzueimern, den man selbst braucht, um selbst noch genug davon unter den Füßen zu haben.

Bedürfnisse sind gerecht, wenn sie nicht den Bedürfnissen anderer im Weg sind.

Einer mag Gold und Marmor, ein anderer Holz und Lehm. So verschieden ist es im menschlichen Leben. Solange der mit dem Marmor den andern nicht am Lehm hindert und umgekehrt, können unterschiedliche Bedürfnisse nebeneinander existieren. „Keiner soll sagen, wer da liebt, der sei schlecht: Denn für alle, die da Lieben, gibts die Liebe erst recht: Und der eine liebt die Einzige, dier der Himmel ihm beschert, und der andre all die kleinen Lümmelchen , die er findet auf der Erd“. 3

Chacun a sont gout. Für alles andere kann man Regeln aufstellen. Und auf diese kommt Hindenburg ab Seite 52 zu sprechen. Denn er kann ja nicht um die Beobachtung herum kommen, dass es knappe Güter gibt, die dennoch jeder braucht, und wenn es das neue Hüftgelenk für einen 9o-jährigen Patienten mit Geld ist im Vergleich zu einem Verunfallten 25-Jährigen Minijobber.

Prima Buch.

Es sollte in der zehnten Klasse als Jahresausbildungsfach gelehrt werden, und zwar ohne jegliche Prüfung. Denn lernen darf Spaß machen.

(Dennis Hindenburg, „Vom Urzustand zum Gesellschaftsvertrag”, Oekom-Verlag 2022)


1  Das ist nur eine Vermutung. Der Beweis steht noch aus, aber es spricht viel dafür, dass es das Bessere geben muss. Einfach deshalb, weil es statistisch gesehen nicht in der Gesamtverteilung fehlen kann. Siehe Gauß, siehe Normalverteilung.

2  „Und was ich auch immer noch lerne / dies ist das Einmaleins / Nicht hab ich jemals gemeinsam /mit der Sache des Klassenfeinds“. Erst muss sich die Schere schließen, bevor Gleiche neben Gleichen sprießen. Das musste mal gesagt werden.

3 Den Text gibt es im Volksliederarchiv und an andren Stellen https://www.volksliederarchiv.de/und-keiner-soll-sagen/

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TAGESBEMERKUNG Donnerstag, 17.März 2022

„Marusja mach uns Tee“

von M. Schnurr-Miezerich

Liebe Leserinnen, liebe Leser, um etwas vorweg zu nehmen: kleiner geworden sind meine Sorgen noch nicht. Die Russen malen ein Z auf ihre Fahrzeuge, und dann dürfen deutsche Buchhalter unter ihre Bilanzen keine Buchhalternase mehr malen, damit keiner denkt, sie wären Putins konspirative Finanzkomplizen. Andere tragen gelbe Hemden mit blauen Jackets als Zeichen der Solidarität. Aber wozu in Marineblau statt des helleren himmelblaus, welches den Farben der Ukraine besser entspricht? Manchmal möchte man heutzutage eine chinesische Winkekatze sein, die immer nur abwinkt. Obwohl: So ganz konfliktfrei ist das mit den Chinesen ja auch nicht. Cheffchen fiel zum Thema Russland-China neulich ein alter DDR-Witz ein, wo ein Parteisekretär einen Tee trinken will und sich zwischen grusinischen und chinesischem Tee entscheiden soll. Worauf er sagt: „Ich nehm doch lieber einen Kaffee.“ Ich dachte, Cheffchen wird nicht wieder, als ich ihm danach ein blödes Lied vorsang, in welchem es heißt: „Ach lass doch fahren, was früher einmal war / Marusja, mach uns Tee / auf dem neuen Samowar“. Man weiß nicht: Verschwindet dadurch der Zwist, oder verbünden sich dann zwei Bekloppte?

Apropos bekloppt: Es soll mal niemand mehr behaupten, dass man aus Antikriegsbüchern nicht auch was lernen kann. Bei Tolstoi ist irgendwo in seinem umfangreichen Werk vom Unsinn der Kriege die Rede. Und jedesmal sind es die Zivilisten und das Kanonenfutter, denen Leid zugefügt wird. Und da kommt Tolstoi in einer Geschichte auf den Einfall, die Anzahl der Beteiligten am Krieg zu reduzieren. So gering soll sie werden, dass die Sache nachher nur noch Zweikampf unter zwei Fürsten ist, die ansonsten Völker und Armeen aufeinander hetzten, morden, plündern und Dörfer verbrennen. Soweit Tolstoi. Und nun kommt ausgerechnet Elon Musk, der sonst von niemandem mit der klugen gesellschaftlichen Einfällen in Verbindung gebracht wird, und fordert Putin zum Zweikampf auf. Also „Mann gegen Mann“. Nur die Zwei. Wer gewinnt, kriegt Ukraina. Wer verliert, akzeptiert.

Richtig klug kann das aber auch wiederum nicht sein, denn weder Musk noch Putin haben über Ukraina zu entscheiden. Wie man es auch wendet: Die einzigen Waffen, die nicht töten, sind die, welches es gar nicht gibt. In diesem Sinne

Gegeben zu Weimar, Ende März 2022. Monsieur Schnurr-Miezerich, außerordentliches und bevollmächtigtes Maskottchen

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Redaktionsinfo: Das Flugblatt für März kommt gleich.

Bis der Link funktioniert gilt noch die Anmoderation vom Ersten März

Und jetzt der nächste Versuch:

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REDAKTIONSMITTEILUNGEN: Das Flugblatt für März 2022 ist fertig

Das Flugblatt für März 2022 ist fertig

Neulich nachts träumte ich, ich hätte auf russisch gedichtet. Ich habe im Traum auf die Melodie der russischen -sowjetischen Nationalhymne das Klagelied eines enttäuschten Liebhabers auf seine ehrlos gewordene Geliebte geschrieben. Zu Sprachlernzwecken werde ich das weitermachen. Ich kanns ja hinterher wieder auf Deutsch schreiben. Aber das geht nicht so schnell. Ungefähr würde es so anfangen: „Ich glaube nicht mehr Deinen herzlichen Worten / auch nicht dem verführendsten Lä-hä-hächeln / Aus den Augen, proschtschai, dorogaja slucha moja…“ Ich hätte es jedem andern zugetraut, aber nicht dem kahlköpfigen nacktbrüstigen Tigerreiter. Nje bolsche werju tebja.

Liebe Leserinnen , liebe Leser, das Flugblatt ist fertig, und wir alle fünf haben was kommentiert. Bei Onkel Jules fand ich die Bildidee von dem Bleistift, aus dem im Interesse der Nachhaltigkeit neue Bäume sprießen, reizvoll. Und das rezensierte Buch über das „Gaiazän“, also des Erdzeitalters, in welchem keine Eiszeit, keine Kreidemeere, keine Entstehung fossiler Brennstoffe und keine Industrialisierung  und keine Aufklärung dominieren, sondern die gute alte Mutter Erde wie eine fürsorgliche Henne die Kinder der Schöpfung behütet, unter ihren Flügeln Geborgenheit bietet und das vernunftbegabte Küken „Mensch“ befähigt, Fehler als Schritt zur Annäherung an die Lösung einer unbekannten Aufgabe zu betrachten. Der Ruhm ist nichts, die Tat ist Alles.

Ich wünsche Ihnen allen Frieden und Gutes, wie die Franziskaner sagen. Franziskus von Assisi war körperlich eher klein, aber er hat sich mal vor den Truppen des Sultans und der Kreuzfahrer hingestellt – riesige Kerle auf riesigen Pferden – und hat denen vor der Schlacht gesagt „Du sollst nicht töten“. Gelacht hatten sie, bis sie blutend im Wüstensand lagen und merkten Ja Scheiße, Der Papst in Rom, die weltlichen Herren, der Sultan ooch, und wer weiß, wer außerdem verdienen ja sogar noch an unserem Blut, welches wir hier ersatzlos verlieren. Auri sacra fames, oh du unheiliger Hunger nach Gold.

Der Link kommt morgen, bis Mittag wird sich die Flugblattausgabe auf den Verteilungsweg gemacht haben.

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TAGESBEMEKUNG 27.02.2022 NATO-Flugzeuge am Himmel

Zwei Fotos von NATO-Flugzeugen um 14 Uhr 30 am Sonntag Richtung Osten. Die Aufnahme zeigt einen Luftraumausschnitt über Neustrelitz-Kiefernheide. Die Fahne unten gehört zum Einkaufszentrum. Näheres unter „Sicherung von Handelswegen und Rohstofflieferungen“

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Tagesbemerkung 27.Februar 2022 – Sonntag

Null Uhr dreißig:

„Wir machen uns erst Montag Sorgen
aber nicht schon Sonntag morgen“

Frieden sei mit Euch

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FEUILLETON-ZEITGEIST: Es gibt keinen gerechten Krieg

Ultima Ratio – Das Ende der Vernunft

Früher sagten Diplomaten oft, Kriege seien „Das letzte Mittel der Vernunft“. Die wirklich zutreffende Übersetzung für Ultima Ratio kann nur heißen: „Das Ende der Vernunft“

Den Nachrichten setzt Russland gerade Waffen gegen die Ukraine ein. Das nennt man Krieg. Von allen Kriegen seit Bestehen der Menschheit war keiner gerecht. Es gibt also nach bisheriger Erfahrung keinen gerechten Krieg. Es gibt auch keinen einzigen Krieg, bei dem die Schuldfrage eindeutig geklärt wäre. Sowohl Angreifer als auch Angegriffene sind für die jeweilige Eskalation verantwortlich. Einer provoziert, der andere lässt sich provozieren. Kleine Jungs rattern mit Holzknüppeln am Zaune des Hofhundes herum, bis der außer sich vor Wut und Ärger ist. Mit Vernunft begabt sein sollende Männer rasseln mit den Säbeln und lassen sich von Sicherheitsberaterinnen, Außenministerinnen, und Verteidigungsministerinnen aufhetzen.

Aber der Hofhund ist nicht das bedauernswerte Opfer einer permanenten Aufreizung. Zu einem Konflikt gehören immer beide Seiten. Und die systematische Vorbereitung des Hofhundes auf die Freilassung von seiner Kette spricht für den Wunsch, sich provozieren zu lassen, um sich dahinter verstecken zu können. Natürlich soll der Hofhund nicht übern Zaun springen und auf die Straße laufen. Und haut der Hund seine Zähne in die Hälse der Herrchen mit dem Stöckchen, die Aus, Kusch, Platz sagen wollen – aber der Hund will das nicht, denn er konnte es früher selbst.

Der große Fehler aller Seiten ist, dass keiner wirklich auf den Grundsatz „Audiatur et altera pars“ gehört hat. Mit Vernunft ist es möglich, dass jeder mit jedem zu gemeinsamen Vorteilen kommt. Sie hätten regelmäßige Frühstücksbrunches machen sollen. Und der mit der größten Wut auf den andern soll ihm höflich Kaffee nachschenken, die Butter reichen, oder wonach ihn sonst gelüstet, und wenn es die Morgenzeitung ist. Zumindest macht eine solche Konstellation die Stimmung friedlich und kann jeder Seite gewähren, was ihr Begehr ist, ohne eine Seite auszuschließen oder abzuschießen.

Es ist, als betrachte die NATO den „Tumultus Violenti“ zwischen Russland und der Ukraine als Neuauflage des Jugoslawischen Bürgerkrieges nach dem Zerfall von Titos Staatenunion. Damals, als es in Jugoslawien anfing, sprach ein finnischer Rundfunksender in seinem lateinischen Programm die Überschrift aus: „Tumultus Violenti in Albaniae“, „Gewaltätige Unruhen in Albanien“ auf Deutsch. Und die NATO damals wartete nur darauf, vökerrechtswidrige Luftangriffe auf dem Balkan durchzuführen.

Jetzt ist das vorgesehene Einsatzgebiet der Kriegstätigen viel größer, aber die eigenen Worten nach nie nach Osten erweiterte NATO rattert mit ihren Knüppeln am Gehege des russischen Bären, bis der außer sich vor Wut und Ärger auf die Hinterbeine steigt und vorne mit den Tatzen links und rechts auslangt. Unterstützt werden die mit Vernunft begabt sein sollenden Lenker der westlichen Demokratien von Außenministerinnen, Verteidigungsministerinnen und Sicherheitsberaterinnen, die gut vernetzt sind mit führenden Medienregimentern in Europa und den USA.

Es gibt keinen gerechten Krieg. Denn jeder Krieg ist das Ende der Vernunft. Die Vernunft aber kann unendlich sein. Dann wird ein gerechter Frieden möglich.

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FEUILLETON-REZENSION: „Gartensafari“

FEUILLETON-REZENSION

Buchtitel: Gartensafari
Autor: Hannes Petrischak
Verlag: Oekom-Verlag
Name des Rezensenten: Hannes Nagel

„Ein großer Blick auf kleine Krabbler“

Nicht nur ein Garten kann eine beruhigende Wirkung haben. Auch ein wunderschönes Gartenwanderbuch kann seelische Wogen glätten. Das hat Hannes Petrischak mit dem im Oekom-Verlag 2022 erschienenen Buch „Gartensafari“ gezeigt. Man darf getrost sagen, dass die Größe des Gartens gar keine Rolle spielt. Auch ein solch kleines Gärtchen, welches sich auf einem Stadtwohnungsbalkon entfalten kann, kann man so beruhigend beschreiben, wie der Autor es an seinen Beispielen vormacht. „Gartensafari“ ist ein Buch, bei dem man sich die Daumen beider Hände im Gartenboden vergrünen lassen will und kurzzeitig glaubt, man könne eine Hummel streicheln, ohne einen Stichreflex bei ihr auszulösen. Das aber konnte, wenn überhaupt einer, bisher nur Franziskus von Assisi. Das war jener kleine Mönch um 1240 herum mit dem großen menschlichen Herz aus der umbrischen Provinz Assisi in Italien. Der Daumenvergrünung hilft ein Verzeichnis von Arbeitstipps für Kleingärtner. Das ist ähnlich wie die vor sehr vielen Jahren bekannte Fernsehratgebersendung „Du und Dein Garten“. Der fotografische Teil des Buches enthält Tipps für Menschen mit Kameras, und die Texte zu den Bildern machen aus dem Buch ein Bestimmungsbuch für Insekten, Schmetterlinge, Würmer und Vögel. Zur Pflanzenbestimmung verweist der Autor auf externe Literatur.
„Gartensafari“ von Hannes Petrischak ist ein kompaktes Arbeitsbuch mit Einladung zum Lernen, ohne zu merken, dass man beim Lernen ist. Man sagt ja, was man nebenbei lernt, bleibt am längsten im Gedächtnis und führt zu bestem Wissen.

(Hannes Petrischak, „Gartensafari“, oekom-verlag, 2022)

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BARON VON FEDER: „Alles fürs Gesäß? Dann Arsch hoch“

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BARON VON FEDER


„Alles fürs Gesäß? Dann Arsch hoch.“

Gerade wenn man das Gefühl hat, alles Streben wäre Umsonst, Vergebens, für die Katz, fürs Gesäß, dann soll man Aufstehen, den Arsch hochreißen und sich selbst zusammen. Jeder weiß schließlich selbst, daß er ein sehr fähiger Mitarbeiter ist, wenn er ordentlich angeleitet wird. Aber wenn es doch nun mal keine ordentlichen Anleiter gibt?

Das Jobcenter erklärte einem Kunden, der nicht Angestellter des Centers ist, aber trotzdem dessen Anleitung untersteht, die Variante PROBEARBEIT. Besonders schwere Fälle – älter als 50, behindert, schon viel zu lange ohne Einkommen – können demnach in Probearbeitsverhältnisse gesteckt werden. In echten Betrieben mit echten Aufgaben könnten diese Menschen echte Jobs ausprobieren. Sie könnten sich an Umgangstöne, Arbeitsmarktklima, Schnauze halten, Chefs schmeicheln, und natürlich auch an das Einlernen struktuierter Arbeitsabläufe unter realen Marktbedingungen gewöhnen. Drei Monate sind dafür eine gute Übungszeit, da gibt es nichts. Der Bundesagentur für Arbeit ist es die Übernahme von 100 Prozent der Lohnkosten wert, damit der Betrieb die Ware „Arbeitskraft mit Restwert“ kauft – egal zu welchem Preis, Hauptsache sozialversichert.

Was ändert sich für die Betroffenen?

-Sie können drei Monate probieren, ob sie die Arbeit schaffen

-Die Drei Monats-Jobs können beliebig oft wiederholt werden: Wenn einer 56 ist, kann er so bis zur Regelrente durch ca. 40 Jobs geschleust werden.

-Theoretisch könnte das Arbeitsamt mit diesem Geld vorn vornherein einkommenslose Künstler, Schriftsteller, Liedermacher, Theaterautoren, Drehbuchautoren oder brotlose Geisteswissenschaftler statt mit AlG Zwo mit einem drei-Monats-Probejob ausstatten, der auch von zu Hause aus erfüllbar wäre. Ein Amt hat mal auf entsprechenden Anfrage gesagt: „Wenn Sie jemanden finden, der Sie als Privatsekretär einstellt, können wir das so machen, selbstverständlich.“

-Ich könnte sogar selber auf dieser Basis für drei Monate eine Haushaltshilfe engagieren, die mir dann das Amt bezahlt. Ich selbst müsste bloß wieder einen finden, der mich bezahlt, und der einen, welche, Sie verstehen, es kommt ein Netzwerk heraus. Die Möglichkeiten sind da, und die grundsätzliche Zustimmungsbereitschaft ist gegeben. Manus Manum lavat – eine Hand wäscht die andere.

Manche sagen „Kopf hoch“, aber das ist nicht genug. Das Gesäß gehört dazu. Im Stehen präsentiert man das Eigene und setzt es eventuellen Angriffen aus, aber im Stehen verschafft man sich auch Beinfreiheit, um ein anderes Gesäß als Zielfläche für einen gut platzierten Tritt anzuvisieren. Und man stärkt den Rücken.

Und noch etwas: Was fürs Gesäß gut ist, ist gut für den Gluteus Maximus, den Kreislauf, das Charisma und das allgemeine Wohlbefinden.

Nichts ist mehr fürn Arsch, wenn man selbigen hoch bekommt. Nur wenn man im Sessel versauert, dann erst ist man komplett im Vorbenannten.

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FEUILLETON-REZENSION: Mut zum Gaiazän

Buchtitel: Mut zum Gaiazän
Autor: Peter Finke
Verlag: Oekom-Verlag
Name des Rezensenten: Hannes Nagel

Fehler sind Irrtümer, die man korrigieren kann und nicht Endgültiges.

Deswegen hält Peter Finke in seinem Buch das Anthropozän für für eine Fehlentwicklung, aus deren Erkenntnis nun die Korrektur entstehen kann.

Das Wort „Gaiazän“ ist eine Rückbesinnung auf Mutter Erde und ihr Zeitalter. Nicht die mit ihrer Aufgabe als selbsternannte Krone der Schöpfung überforderte Menschheit soll den erdgeschichtlichen Zeitabschnitt dominieren, sondern versuchen, Mutter Erde zu stützen, ihr zu gefallen, sie um Rat fragen und ihren Geschichten zu lauschen, die von Sprache, Kultur, Kreativität und Ethik handeln und nicht nur einer Aufklärung, die in den Zustand des Dogmas gelangt ist. Dabei könnte laut Finkes Buch die Aufklärung, wenn sie sich selbst auch immer wieder in Frage stellen würde, die Wissenschaft anstelle des Dogmas als lateinamerikanischen Tanz betrachten. Macht sowieso mehr Spass, weil die Erkenntnis der Fremdheit immer eine kulturelle Geisteserweiterung ist.

Peter Finke hat eine völlig unaufgeregte Manöverkritik hat Wissenschaftsentwicklung und Aufklärung verfasst, die auch „Gesichtswahrend“ für die Kritisierten ist. Niemand wird beschimpft oder beschuldigt. Das ist vielleicht auch eine hintergründige Art der Auslegung des Spruches „Der Ruhm ist nicht, die Tat ist alles“. Zumal wenn der Ruhm ein wenig unrühmlich ist – was sollen dann Namen? Wer Namen beschimpft, beschimpft Menschen und ihre Irrtümer als willentliches Fehlverhalten.

In idealisierter Betrachtung ist Peter Finkes Buch das Buch eines „Geschichtsberaters“. Im Falle des Anthropozäns geht geht es um einen langwirkenden Nebeneffekt der Aufklärung als Gewissheit des Allwissens statt um die Anerkennung von Irrtumsmöglichkeiten. Und wenn man sich einmal festgelegt hat, fällt es schwer, von dieser Position wieder herunter zu kommen. Viele fühlen sich dann „untenrum entblößt“. Und das will ja keiner.

Besonders schön dürfte für Freunde der Meinungsvielfalt eine Bemerkung auf Seite 45 sein, wonach der alte Wissenschaftsgrundatz „Tertium non Datur“ – „Ein Drittes gibt es nicht“ viel zu viele Möglichkeiten ausschließt. Es kann nämlich auch Zwischenwerte geben. Und die können genauso tatsächlich existent sein wie das dogmatische 1 oder 0 in der Computerlogik.1

Im Grunde ist Peter Finkes Buch ein Wegweiser für eine Umkehr suf einen Weg, auf dem der wissenschaftlich-technische Ruhm nichts bedeutet, aber die nützliche Tat alles ist, was stets neu sich hinterfragendes und korrigierendes Wissen schaffen kann, ohne das Alte zu Vergessen, das zu dem Neuen geführt hat. Das gipfelt in den Worten:

„Zukunftsfähig werden wir nur dann, wenn wir Wissen und Handeln, Ethik und Wissenschaftstheorie, gar nicht erst trennen, sondern als einen Verantwortungszusammenhang begreifen. Ein solches Wissensverständnis ist nicht mehr das des Anthropozän, sondern das eines Gaiazäns. Das sollten wir anstreben.“

Peter Finke, Mut zum Gaiazän, oekom-Verlag, München, Freiburg 2022


1 Was – ich gestehe es leicht süffisant – die Sache mit der Künstlichen Intelligenz als Gestümper darstellt. Eine computergesteuerte Maschine kann zwar präzisere Feinmechanik herstellen und eine Drohnengesteuerte Waffe kann ohne Gewissensbelastung morden, aber eins kann Künstliche Intelligenz nie: Die Seele ersetzen . Und damit keine Kultur und keine Herzensbildung ermöglichen.

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